Ein neues Museum in Kraków. Stanisław Wyspiański kannte die polnische Seele wie kein anderer

Gemälde von Stanisław Wyspiański mit seinem Selbstbildnis
Wer war Stanisław Wyspiański? Beinah wie Leonardo da Vinci wollte er die ganze Welt retten, also die menschliche Seele mit Hilfe der Malerei, Prosa, Poesie, Architektur und durch soziales Engagement (viele wissen nicht, dass er auch ein Krakauer Stadtratsmitglied war) heilen. Er hat sogar vorgehabt, das Wawel-Schloss nach seinem Entwurf umzubauen. Er gehört zu den bedeutungsvollsten, einzigartigen und berühmtesten Künstlern der Wende des 19. und des 20. Jahrhunderts, neben Klimt, Mucha oder Gaudi. Ab heute kann ein neues, Stanisław Wyspiański gewidmetes Museum, am Sikorski-Platz in Kraków besucht werden.

Ein Krakauer aus einem Krakauer

Stanisław Wyspiański wurde 1869 in Kraków in der ul. Krupnicza 26 in einem Haus, in dem einst der berühmte symbolistische Maler Józef Mehoffer gelebt hatte, geboren. Der Vater des Künstlers war ein Bildhauer und hatte sein Atelier an der Ecke der Straßen Kanonicza und Podzamcza, das „durch einen großen Schar an verstorbenen Figuren“ am Leben war. Da der Vater oft Flucht im Alkohol gesucht hat, wurde sein Sohn durch eine Tante großgezogen, bei der oft Jan Matejko, Józef Szujski und Karol Estreicher Tee getrunken haben. Er hat das älteste polnische St.-Anna-Gymnasium besucht, an dem u.a. Józef Mehoffer, Jan Rydel, Stanisław Estreicher und Jerzy Żuławski zu seinen Mitschülern gezählt haben. Anschließend absolvierte er ein Studium an der Kunstakademie und an der Jagiellonen-Universität. Dramen hat er schon an der Mittelschule geschrieben. Dann heiratete er eine Bauerntochter - Teodora Teofila Pytko, die einen unehelichen Sohn hatte.

Unbedingt zu sehen:

Obraz Stanisława Wyspiańskiego przedstawiający artystę i jego żonę w stroju ludowym

Die Erschaffung der Welt und andere Werke

Stanisław Wyspiański konnte sich das Wissen (nicht nur das akademische) unglaublich gut aneignen. Er hat beinah das gesamte Europa bereist, kulturelle Erfahrungen gesammelt, Werke zeitgenössischer Künstler und Formen gotischer Kathedralen studiert, antike Dramen mit Eifer angeschaut und moderne Opernaufführungen besucht, die ihn mit ihrem Bühnenbild-Feuerwerk bezaubert haben. Er war zwischen dem Klassischen und den neuen Strömungen zerrissen und hat versucht, sie einer tieferen Logik unterzuordnen. An dieser Stelle möchten wir Ihnen einen kleinen Teil der Seele von Wyspiański, seine vielleicht auffälligsten Werke, nämlich die Bleiglasfenster näherbringen. Diese kann man in Kraków an verschiedenen Orten bewundern. Am Ende des 19. Jahrhunderts hat der Künstler einige Bleiglasfenster für die Franziskanerkirche entworfen. Diese umfassen die Darstellungen vom Heiligen Franziskus von Assisi und der gesegneten Saloma, sowie das beeindruckende Werk „Gott der Vater“. Insbesondere das letzte, expressions- und spannungsgeladene Werk, ist ein Beweis dafür, dass der Künstler seine Gedanken und ihre plastische Darstellung zu einer Einheit kombinieren konnte. In dem s.g. Wyspiański-Pavillon findet man einige für die Wawel-Kathedrale entworfenen und aktuell nachgebauten Bleiglasfenster mit Darstellungen vom Heiligen Stanislaus, Heinrich dem Frommen und Kasimir dem Großen. Ihre Entwürfe waren jahrzehntelang im Keller des Wielopolscy-Palastes, in dem der Krakauer Stadtrat tagte und bis heute tagt, eingelagert. Wieder aufgefunden, fanden sie Platz in einem nach der Idee von Andrzej Wajda gebauten Pavillon, in dessen Fenster sie eingebaut worden sind.

Sehen Sie:

Fragment sali wystawowej w muzeum z projektami witraży

Kraków - die Mitte der Welt

Nach vielen, eher mageren Jahren erzielt Wyspiański finanzielle Stabilität und kann 1901 dank zahlreicher Preise und Zuschüsse eine 7-Zimmer-Wohnung im 2. Geschoß des Mithauses an der Straße Krowoderska 79 mieten. Sein dunkel blau angestrichenes Atelier wurde „Saphir-Atelier“ genannt. Hier entstehen die berühmten Kinderporträts, der Zyklus „Mutterschaft“, sowie die Gemälde von den sich durch die Jahreszeiten verwandelnden Landschaften mit der Aussicht auf den Kościuszko-Hügel. Hier hat der Künstler die für die polnische Seele so wichtigen Werke, wie „Die Hochzeit”, „Novembernacht”, „Befreiung” verfasst. In dem Haus funktioniert auch die Stanisław-Wyspiański-Haus-Stiftung, die Kurse und Workshops für Kinder und Jugendliche organisiert.

Unbedingt zu sehen:

  • Saphir-Atelier (ul. Krowoderska 79)

Obraz Stanisława Wyspiańskiego przedstawiający widok na kopiec Kościuszki w Krakowie

Ein Gerücht über „Hochzeit“

„Wesele“ (deutsch: „Hochzeit“) gehört zu den besonderen Werken der Weltliteratur. Es stimmt, dass dem Drama eine Note universeller Werte fehlt, aber es vertieft die menschliche Seele bis zum letzten Tropfen Blut. Denn am Ende... heiratet ein bekannter Schriftsteller und Freund von Wyspiański eine Bäuerin aus Bronowice. Die Pferdewagen fahren vor die Marienkirche und die Hochzeit findet im Haus eines galizischen Politikers statt, der ebenfalls mit einer Bäuerin verheiratet ist. Bei der Hochzeit treffen die Krakauer Elite und die Bewohner aus einem Dorf aus Bronowice aufeinander. Auch Wyspiański ist da, der sich dieses Geschwafel, die Diskussionen und das Gelächter durch seine Brille anschaut. Wer ist nicht da? Wyspiański fügt noch fantastische Wesen hinzu: Geister und Gespenster, er lädt die Stroh-Chocholen, die die Rosen vor Frost schützen, zum Tanzen ein... Denn die Geschichte, meine Damen und Herren, spielt sich im Herbst ab. Bald danach werden die Gäste der Hochzeit in Bronowice sich selbst in einem bis heute noch funktionierenden Theater sehen können. Aber das waren nicht mehr sie selbst, sie waren bereits die Akteure eines großen nationalen Dramas. Das bis heute aktuell bleibt! Das Spannendste daran ist die Tatsache, dass die Nachkommen dieser Ereignisse unter uns leben. Blut aus Blut, Knochen aus Knochen. Man kann sie sehen und anfassen. Und in der Tat sind wir alle sie.

Unbedingt zu sehen:

  • Rydlówka (ul. Tetmajera 28). Hier fand die Hochzeit des Dichters Lucjan Rydel mit Frau Jadwiga Mikołajczykówna statt, die Wyspiański in seiner „Hochzeit“ verewigt hat.

Leben oder Tod?

Spazieren Sie mal direkt vor der Dämmerung im Herbst durch den Planty-Park. Besuchen Sie diesen sonderbaren Ort, in dem die Schatten der Geschichte spazieren gehen.

Dazu noch ein bisschen Nebel und gleich steht uns vor Augen ein Gespenster-Theater. Es ist nicht mehr erkennbar, ob man sich in einer Welt der Lebenden oder Toten aufhält. Stellen Sie sich vor, Wyspiański konnte genau das Gleiche sehen. Er ist hierher gekommen und hat versucht, die Mystik des Ortes zu vertiefen und diese auf eine Leinwand zu übertragen. Vielleicht sind die Stroh-Chocholen von hier aus zur Hochzeit in Bronowice gelaufen. Hier sehen Sie das Bild „Planty im Morgengrauen” aus dem Jahr 1894. Haben Sie einen ähnlichen Eindruck?

Unbedingt zu sehen:

  • Planty-Park bei Dämmerung oder Morgengrauen

Obraz Stanisława Wyspiańskiego przedstawiający alejkę Plant prowadzącą na Wawel z drzewami pozbawionymi liści

Tod und Liebe

Was glauben Sie, hat Stanisław seine Theodora wirklich geliebt? Diese Frage ist unter den Krakauern ebenso lebendig wie die Legende vom Wawel-Drachen. Ich glaube, schon. Wie viel Liebe muss man in sich haben, um seine Frau und seine eigenen Kinder auf diese Art und Weise zu porträtieren? Schauen Sie sich diese Bilder an. Sie sind realistisch, aber auch voller Zärtlichkeit. Trotz der fortschreitenden Krankheit von Stanisław, ist die Familie Wyspiański in das Dorf Węgrzyce, das an der Straße nach Warschau liegt, gezogen. Wyspiański ist 1907 an Syphilis, die nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist zerstört hat, gestorben. Er war ein großer Künstler, aber gleichzeitig zu clever, um wirklich groß zu werden. Die Beerdigung war, wie es sich für Kraków gehört, ein großes Ereignis, denn unsere Stadt war damals berühmt für ihre üppigen Beerdigungen, bei denen das Licht von dekorierten Straßenlaternen sogar die Sonne verdeckt hatte! Die Prozession wurde vom Läuten der Sigismund-Glocke begleitet.

Wenn November kommt, gehen Sie bitte zur Kirche „Na Skałce“ in die Krypta der berühmten Polen und meditieren Sie am Grab dieses Künstlers, der uns alle besser machen wollte.

Unbedingt zu sehen:

Obraz Stanisława Wyspiańskiego (kopię) który przedstawia dziewczynkę z wazonem w którym są kwiaty. Dziewczynka spogląda na wazon

Wyspiański hat endlich sein eigenes Museum!

Das Nationalmuseum in Kraków, das 1879 dank Schenkungen der Stadtbewohner gestiftet wurde, besitzt heute die größte und wertvollste Sammlung von Werken von Stanisław Wyspiański, die rund 1100 Artefakte umfasst. Ein Großteil davon wird in einem neuen Museumsgebäude ausgestellt. Das Stanisław-Wyspiański-Museum - eine neue Zweigstelle des Nationalmuseums Kraków - wurde am Sikorskiego-Platz 6 eröffnet. Zu sehen sind 200, meist plastische Werke, dieses großen Künstlers.

Das Nationalmuseum erinnert daran, dass der größte Teil vom Wyspiański Nachlass kurz nach seinem Tod im November 1907 für die Sammlung gestiftet oder erworben wurde. Schon damals gab es Pläne zur Gründung einer musealen, Stanisław Wyspiański gewidmeten Zweigstelle.

Das Stanisław-Wyspiański-Museum ist in einem ehemaligen Getreidespeicher untergebracht, der im 18. Jahrhundert außerhalb der damaligen Stadtmauern in dem größten und ältesten Krakauer Jurisdiktionsbezirk - Garbary (oder Piasek) errichtet wurde. Das historische Gebäude diente im Laufe der Jahre unterschiedlichen Zwecken, u.a. als Fabrik, Geschäft oder der Sitz des Polnischen Architektenverbands. Nach 1945 wurde es durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur übernommen und diente viele Jahre als ein Museumsdepot, in den Jahren 2013 – 2021 als Europäisches Kulturzentrum „Europeum“.

Im Erdgeschoss des Stanisław-Wyspiański-Museums sind seine Selbstbildnisse und Gemälde von seinen nächsten Familienmitgliedern, wie Ehefrau und Kinder, von seinen nächsten Freunden, Mäzenen und nahen Bekannten ausgestellt. Dieser Teil der Ausstellung wird durch Darstellungen von Orten ergänzt, wo Stanisław Wyspiański gelebt und gearbeitet hat: Ansichten seiner Krakauer und Pariser Ateliers, Ausblicke aus seiner Wohnung an der Krowoderska-Straße in Kraków, Ansichten anderer Straßen seiner Heimatstadt und kleinerer Ortschaften bei Kraków, die er mit seinen Nächsten besucht hat.

Im ersten Obergeschoss werden Werke von Stanisław Wyspiański ausgestellt, die die drei wichtigsten Leitmotive seines künstlerischen Schaffens zeigen, mit folgenden Titeln: „Elemente“, „Wawel - Drama der Könige“ und „Apollo-Christus“. Rund um diese Themen wird die Geschichte dieses Künstlers erzählt, der die nationale und religiöse Problematik im Rahmen seines künstlerischen Schaffens auf so eine innovative Art und Weise aufgegriffen hat, der sich auf das Gedächtnis und die Geschichte bezogen hat und der durch die Antike und das Mittelalter inspiriert war. Die hervorragendsten Werke von Wyspiański – unter anderem der Entwurf des Bleiglasfensters „Gott, der Vater“ für das westliche Glasfenster an der Fassade der Franziskanerkirche in Kraków, sowie pastellfarbene Entwürfe der Innendekorationen für dieses Gotteshaus, Entwürfe der Bleiglasfenster für die Wawel-Kathedrale, Entwürfe der Innenausstattung, Möbel und Stoffe für den Sitz des Krakauer Ärzteverbands und für den Sall des Polnischen Künstlerverbands „Sztuka“ im Krakauer Verband der Kunstfreunde, das Modell von Akropolis – weisen eine interessante künstlerische Form auf und weisen auf die Vielseitigkeit seines künstlerischen Werks hin: von der Malerei, über angewandte Kunst bis zur Architektur.

Im Untergeschoss im Saal „Meine Bücher“ wird die Buchsammlung von Wyspiański mit seinen Handnotizen, sowie die ersten Ausdrücke von Dramen und Werke anderer Autoren, für die der Künstler Umschläge oder Illustrationen angefertigt hat, gezeigt. Man kann sich auch den online zugänglichen Katalog mit den im MNK gesammelten Werken des Künstlers ansehen. Nebenbei können die Besucher in einem Saal namens „Metamorfozy” die Theaterwerke erkunden: Plakate für die Theaterstücke von Wyspiański, ausgewählte Fotos und Abschnitte von Filmen mit den berühmtesten Inszenierungen und Verfilmungen von literarischen Werken des Künstlers.

Das muss man sehen:

  • Wyspiański-Museum, Zweigstelle des Nationalmuseums in Kraków, Plac Sikorskiego 6

Fasada Muzeum Stanisława Wyspiańskiego

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