Zakopane, das von Dr. Tytus Chałubiński entdeckt wurde, galt seit Ende des 19. Jahrhunderts als ein Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler, die sich von der Nähe der Tatra und der Goralenkultur inspirieren ließen und die schon bald dort ihre eigene Künstlerkolonie gründeten. Zakopane übt auch heute noch eine große Anziehungskraft aus, inspiriert und schützt das wertvollste Gut - das kulturelle Erbe. Die Folklore und Traditionen der Goralen werden bis heute gepflegt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben.
Trachten der Podhale-Goralen
Abgesehen von den charakteristischen Spitznamen, die sich in einigen Familien bis heute erhalten haben, unterscheiden sich die Goralen von anderen ethnischen Gruppen vor allem durch ihre Tracht. Sowohl die Kleidung der Männer, als auch die der Frauen ist charakteristisch für jeden Stamm der Goralen und enthält oft sogar Elemente, die für die jeweilige Familie oder Geschlecht typisch sind. Obwohl sich die Tracht im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat und ihre einzelnen Elemente und Verzierungen je nach Dorf oder sogar Familie sehr unterschiedlich sind, bleiben die wichtigsten Teile der Tracht gleich. Die traditionelle Männertracht besteht aus weißen Tuchhosen mit verzierten Beinen, meist hat die Verzierung die Form von „Parzenica“ eines typischen, herzförmigen Ornaments, und aus einem weißen, bestickten Hemd. Obligatorisch ist außerdem ein Gürtel (sog. Opasek). Am weitesten verbreitet sind schmale Gürtel ohne Verzierungen, aber es gibt auch breite, reich verzierte Gürtel, die als Hirten- oder Räubergürtel bezeichnet werden. Ein weiteres dekoratives Element der Männertracht ist die Klammer, mit der das Hemd unter dem Kinn geschlossen wird, deren Form für den Herkunftsort oder sogar für das jeweilige Geschlecht charakteristisch ist. Eine rombusförmige Metallklammer mit abgerundeten Spitzen kann unterschiedlich groß und mehr oder weniger verziert sein. Vervollständigt wird die Tracht durch einen Hut aus schwarzem Filz und die Schuhe „Kierpce“ genannt. Über dem weißen Hemd wird eine offene Jacke (Cucha) oder eine Weste (Serdak) getragen. Alle Elemente sind mit floralen Motiven verziert.
Die Tracht der Frauen ist mit Sicherheit dekorativer und detailreicher. Neben dem traditionellen, allerdings reich verzierten weißen Hemd aus Leinen- oder Batist sind ein besticktes Korsett (zu festlichen Anlässen) oder eine Weste “Serdak“ (für den Alltag) wichtige Bestandteile der weiblichen Tracht. Je nach Wohlstand der Trägerin wird das Korsett aus Samt oder Seide gefertigt und eng an die Figur angepasst. Die schönsten Korsetts sind mit gestickten Ornamenten mit floralen Motiven (Lilien, Edelweiß, Golddistel) und Glasperlen verziert. Die Vorderseite des Korsetts wird mit einem roten Band geschnürt, das mit einer großen Schleife gebunden wird. Ein weiteres Element der Frauentracht ist ein langer und sehr weiter Faltenrock aus Stoff mit sich wiederholenden, aufgedruckten, meist floralen Motiven. Unter dem Rock wird eine Schürze getragen, die den Rock voluminöser erscheinen lässt. Ein untrennbares Element der Tracht, auch für Frauen, sind flache Lederschuhe, Kierpce genannt. Darüber hinaus sollte jede Frau ein Kopftuch tragen, als der wertvollste Schmuck gelten die Korallenketten. Je mehr echte Korallenketten eine Goralen-Frau trägt, je mehr Tücher sie in ihrem Kleiderschrank hat, desto höher ist ihr sozialer Status. Bis heute hat sich die Tradition der Goralentracht erhalten und wird in vielen Familien gepflegt, insbesondere an Festtagen und Sonntagen.
Tanz und Musik
Nicht umsonst sagt man den Goralen nach, sie hätten Musik im Blut und den Tanz in den Füßen. Musik hat die Goralen schon immer in allen Momenten ihres Lebens begleitet. Bei der täglichen Arbeit, beim Weiden der Schafe und bei den ersten Tatra-Expeditionen, bei kirchlichen Feierlichkeiten und religiösen Feiertagen, sowie bei allen Familienfesten. Die Geige (bzw. ihre vereinfachte lokale Form, genannt Złóbcoki) und der Bass (ein kleiner Kontrabass) sind die Hauptinstrumente einer Goralen-Kapelle. Häufig werden auch Dudelsäcke, Pfeifen und Guslen verwendet. Eine einfache Goralen-Kapelle besteht gewöhnlich aus der Prima, die die Hauptmelodie spielt, der Sekunda (zweite Geige) und einem Bass (einem kleinen Kontrabass). Oftmals bestehen die Musikkapellen aus vier oder fünf Musikern. Die mehrstimmigen Gesänge der Goralen sind voller musikalischer Rufe, der lebendige, charakteristische Rhythmus der Goralen-Musik bewegt jeden zum Tanzen. Der Goralen-Tanz ist eine Demonstration der männlichen Kraft, Geschicklichkeit und Vitalität, die Tanzpartnerin spielt dabei eher eine begleitende Rolle. Das charakteristische Merkmal des Tanzes ist der fehlende enge Kontakt mit der Tanzpartnerin, der Mann bestimmt die Stimmung und das Tempo. Dynamische Musik und ein sehr lebendiger Tanz mit vielen Drehungen und Sprüngen sorgen für ein unvergessliches Erlebnis. Goralen-Musik hört man am besten live, die Gelegenheit dafür bieten oft regionale Gasthöfe und Restaurants. Manchmal fühlt man sich durch die Musik zum Tanzen mitgerissen, um die einzigartige Energie und das Temperament der Goralen zu spüren.
Traditionen
Die Rituale der Goralen, die sich an den wichtigsten Traditionen und Festen des Jahres orientieren, sind auch heute noch lebendig. In Podhale pflegen viele Familien noch Rituale, die mit Weihnachten, Ostern, Fasching oder Mittsommernacht in Verbindung stehen. Das fröhliche Sternsingen - sog. Podłazy sind Rituale, die zu Weihnachten gelebt werden, wenn Sternsinger und Gruppen junger Goralen von Haus zu Haus ziehen. Die farbenfrohen, dekorativen und handgefertigten Palmen gehören (ähnlich wie das Übergießen mit kaltem Wasser (Polewanka oder Śmiergust am Ostermontag) zu den schönsten Traditionen, die mit Ostern verbunden sind. Die sog. Goralen-Umzüge, Fasching und wilde Schlittenfahrten im Schnee sind Veranstaltungen, die im Winter stattfinden. Bei sog. Gazdowska Parada in Kościelisko werden Fahrten mit traditionellen Pferdekutschen, Rennen von leichten Schlitten (sog. Kumoterki) und Skiring-Rennen veranstaltet, während beim Goralen-Karneval in Bukowina Tatrzańska Sternsinger- und Tanzgruppen aus verschiedenen Gegenden auftreten. In jedem Ort in Podhale gibt es Schlittenfahrten, die mit einem Lagerfeuer und einer Goralen-Party in einer Holzhütte einen tollen Abschluss finden. Bei der Planung eines Besuchs in Zakopane lohnt sich ein Blick in das Programm der Kulturanstalten, um die Kultur und Folklore der Goralen von ihrer besten Seite kennen zu lernen.
Regionale küche
Bei einem Besuch in Zakopane und Umgebung sollte man unbedingt die traditionelle Küche der Goralen probieren. Gerichte wie Kwaśnica (Sauerkrautsuppe), Moskol (Küchlein), Oscypek (Käse), lokales Hammelfleisch sind die bekanntesten Spezialitäten der Goralenküche. Auf den nicht sehr fruchtbaren Böden wurden hauptsächlich Kartoffeln, Kohl und Getreide angebaut sowie Schafe und Lämmer gezüchtet. Die Küche der Goralen ist einfach, nicht sehr exquisit, aber sie duftet nach Tradition und... nach dem Rauch in einer Schäferhütte. Sicherlich wird hier jeder eine Spezialität nach seinem Geschmack finden. An erster Stelle stehen Milchprodukte, allen voran der traditionelle geräucherte Käse aus Schafsmilch, Kuhmilch oder gemischt – der Oscypek. Im Oscypek-Museum in Zakopane können Sie mehr über seine Tradition und das Herstellungsverfahren erfahren. Der Käse ist eine beliebte Beilage zu vielen Gerichten oder ein populärer Snack, besonders lecker schmeckt er heiß und mit Preiselbeeren serviert! Die Quarksorten Bundz und Bryndza, hausgemachte Butter und Ziegenmilch sind Produkte, die man bei einem Besuch in Podhale unbedingt probieren sollte. Jedes schmeckt anders und unterscheidet sich bezüglich der Zusammensetzung und Zubereitung. Sehr beliebt und lecker sind Pfannkuchen oder Pierogi mit Bryndza, ein unvergesslicher Geschmack! Vegetarier sollten unbedingt die Forelle aus einem Gebirgsbach probieren, Fleischliebhaber hingegen - unterschiedliche Lamm- und Hammelfleischgerichte. Ein weiteres beliebtes Gericht sind Kartoffelpuffer nach Räuberart - ein riesiger Kartoffelpuffer, der mit Schweinegulasch serviert wird, und Kwaśnica, eine kräftige Sauerkrautsuppe, die oft mit Hammelfleisch gekocht und mit Kartoffeln oder Brot serviert wird. Für Vegetarier gibt es neben Gerichten mit traditionellen Käsesorten auch Moskol, ein Küchlein aus gekochten Kartoffeln, Mehl, Wasser, Salz und Ei, der mit Knoblauchbutter serviert wird.
Als Dessert empfehlen sich Bombolki, also Hefeklöße, die mit Butter und Honig serviert werden. Zum Glück bieten Zakopane und seine Umgebung jede Menge von Outdoor-Aktivitäten, denn nach einem echten Goralenschmaus braucht jeder etwas Bewegung.
Architektur
Besonders bemerkenswert ist die einzigartige Architektur der Goralen. Ihre Holzbauweise ist bis heute erhalten geblieben. Aus diesem Grund lohnt sich ein Spaziergang, vor allem durch die Straße ul. Kościeliska oder ein Ausflug nach Chochołów, wo man Beispiele der traditionellen Architektur besichtigen kann. Die Holzhütten wurden aus Holzblöcken gebaut, deren Anschlüsse mit Moos oder Stroh abgedichtet waren. Der typische Hausbau zeichnet sich durch hohe, schräge Dächer, die mit traditionellen Motiven verziert waren: einer Sonnenblume und einer Kralle an der Spitze. Das wichtigste Bauelement im Innenraum war ein verzierter Balken, auf dem das Datum der Errichtung angebracht war. Die traditionellen Behausungen der Goralen bestanden aus zwei Wohnräumen - der schwarzen und der weißen Stube - und einem Flur. Die schwarze Stube war der Raum, in dem sich der Alltag der Familie abspielte. Hier wurden Mahlzeiten zubereitet und gegessen, die alltäglichen Arbeiten wie das Weben verrichtet und von der Familie zum Schlafen genutzt. Die weiße Stube war den besonderen Familienfeiern und Gästen vorbehalten. Hier wurden elegante Kleider, Geschirr und Instrumente aufbewahrt. Ein solcher Prototyp eines Goralenhauses ist das Haus der Familie Gąsienica Sobczak, gelegen an der Straße Droga do Rojów, zugleich eine Zweigstelle des Tatra-Museums, wo man die traditionellen Räume, Gerätschaften und Details sehen kann. Parallel zu der traditionellen Goralenarchitektur entwickelte sich der einzigartige Zakopane-Stil, dessen Schöpfer Stanisław Witkiewicz war. Bei der Gestaltung seiner prächtigen, hohen, mit Ornamenten und Holzschnitzereien verzierten Villen orientierte sich der Künstler stark an der traditionellen Kunst der Goralen. Zu den Villen, die heute noch erhalten sind, gehören Koliba und die Villa Oksza, in der Ausstellungen des Tatra-Museums untergebracht sind, oder das Haus pod Jedlami, das von außen besichtigt werden kann.
Kunst
Traditionelle Hinterglasmalerei, Holzskulpturen, Werke von Studenten der Schule für Holzindustrie, Gemälde und Fotografien sind ein Teil des künstlerischen Erbes von Podhale. Die Kunstwerke, die tief in der Kultur der Goralen verwurzelt sind, wurden sehr oft durch die hiesige Tradition und Folklore inspiriert. Zu den wichtigsten Namen gehören zweifellos: Stanisław Witkiewicz, Walery Eljasz, Wojciech Brzega, Zofia Stryjeńska, Karol Kłosowski, Stanisław Ignacy Witkiewicz „Witkacy“, Rafał Malczewski oder Leon Wyczółkowski. In ihren Werken dominiert die Tatra-Thematik, nicht selten sind auch Motive der Goralen-Volkskunst enthalten, die auf den Reichtum dieser Kultur verweisen. Auch die Künstler der Epoche „Junges Polen“ ließen sich von der Kultur der Goralen inspirieren und bis heute bildet sie einen Bezugspunkt für viele Künstler, die sich mit breit verstandener zeitgenössischer Kunst beschäftigen. Die wertvollsten Werke der Kunst und Volkskunst werden in der Villa Oksza, in der Villa Koliba und im Zentrum für Heimische Kultur in Czerwony Dwór gezeigt.